Techniker des Garten- und Landschaftsbaues planen mit „Weitblick“ im ländlichen Raum
Projektbezogene Ausbildung mit Ideenwettbewerb an der Fachschule für Technik in Dresden – Pillnitz
Wettbewerbsfähig durch Wettbewerb
Das landschaftliche Umfeld
Eine der attraktivsten Landschaften Deutschlands ist die Sächsische Schweiz in der Nähe von Dresden. Wanderfreunde und Liebhaber einer wilden Naturlandschaft kommen das ganze Jahr über in das Elbsandsteingebirge.
Hotels, Ferienhöfe und Gasthäuser haben in den letzten Jahren stark in Hochbaumaßnahmen investiert. Eine zielgruppenorientierte Freianlagenplanung muss häufig warten bis die finanziellen Mittel für Baumaßnahmen des Landschaftsbaues wieder zur Verfügung stehen.
Die Besitzerin des Ferienhofes Schönfelder, in Königstein, hat früh erkannt, dass „ein ansprechendes Innen und Außen“ auch bei der Vermarktung von Ferienangeboten zusammengehört. So kam es zu einer Anfrage zur Mithilfe bei der Außenanlagenplanung an die Staatliche Technikerschule in Dresden-Pillnitz.
Im Rahmen der jährlichen Projektarbeit im 2. Studienjahr wurde dieses Projekt, nach dem 3-wöchigen Berufstraining in Betrieben des GaLaBaus, in Behörden oder in Planungsbüros, begonnen.
Das Grundstück mit dem vorhandenen Gebäude liegt in einem der touristischen und landschaftlichen Vorzugsgebiete der Sächsischen Schweiz. Es ermöglicht einen außergewöhnlichen Blick auf das Elbsandsteingebirge, auf die Festung Königstein und auf das Felsenmassiv Lilienstein. Es liegt im Landschaftsschutzgebiet direkt am Nationalpark Sächsische Schweiz.
Planungsanforderungen
Diese Lage an einem Vorranggebiet für Natur und Landschaft, im ländlichen Raum und im Außenbereich setzte eine äußerst sensible Planung der Freianlagen voraus. Das Potenzial der wirkungsvollen Blickbeziehungen in die vielfältige Landschaft musste genutzt werden. Im hinteren Teil des Gartens war ein offener, naturnaher und harmonischer Übergang in die freie Landschaft zu berücksichtigen. Für die Sächsische Schweiz typische Baumaterialien sollten vorrangig Verwendung finden. Neue Bauelemente durften keine Fremdkörper im landschaftlichen Gesamtzusammenhang darstellen. Große Versiegelungsflächen waren an dieser Stelle unangemessen und bauordnungs- bzw. bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig.
Auf der anderen Seite stand der Anspruch für bis zu 20 Gäste, einschließlich ihrer Kinder auf dem 3500 m2 großen Grundstück eine Freianlage mit hoher Aufenthaltsqualität herzustellen. Bis zu 5 Personengruppen sollten sich gleichzeitig auf dem großen Grundstück aufhalten können, in „Räumen“ die eine störungsarme Parallelnutzung ermöglichen.
Weitere Besonderheiten und Anforderungen waren: Der Höhenunterschied des Geländes mit 6.50 m auf einer Länge von 90 m. Die mittlere Breite liegt bei 45 m. Es galt die Nutzbarkeit des Grundstückes durch anteilig horizontale Flächen zu verbessern.
Ein großzügiges, zum Teil offenes Mehrzweckgebäude musste als Neubau in eine vorhandene Hanglage integriert werden.
Die Bestandsaufnahme
Zunächst wurde das Grundstück im Maßstab 1:100 gemeinsam in Arbeitsgruppen aufgenommen und ein Höhen- und Bestandplan aus den einzelnen Arbeitsgruppenmodulen zusammengefügt. Das anwendungsorientierte Umsetzen von erlernten Verfahrensweisen aus dem Unterricht und aus Übungen wurde jetzt gefordert. So stellten sich Fragen, die auch später im Berufsalltag eine Rolle spielen können:
„Sind alle Gerätschaften und Pläne zum Vermessen eingepackt? Schaffen wir das alles an einem Tag? Wie koordinieren wir eine Arbeitsteilung? Wir müssen Fotos machen, um ein späteres Rausfahren zu vermeiden! Welche Aufstellung der Vermessungsgeräte ermöglicht ein schnelles und genaues Aufmaß? Bloß den Rückblick beim Umstellen nicht vergessen!“
Die angehenden Techniker kamen zeitweise ganz schön ins Schwitzen.
Der Ideenwettbewerb
Die anschließende Entwurfsphase ist immer mit einem Ideenwettbewerb gekoppelt. Nach einer anfänglichen Betreuung zum Entwurf folgt eine Phase der alleinigen Ideenfindung. Jeder Teilnehmer am Wettbewerb soll eine ganz eigene Lösung finden, um im Ganzen zu einem variantenhaften Planungsergebnis im Ganzen zu kommen. Zur Klärung von möglichen zusätzlichen Fragen, die sich z.B. aus den Wettbewerbsunterlagen ergeben, findet ein Gesprächstermin mit dem Auftraggeber statt.
Neben Lehrern und Lehrbeauftragten der Staatlichen Technikerschule in Pillnitz, waren wieder Vertreter des Berufsstandes Mitglieder der Jury: ein im Privatgartenbereich erfahrener Landschaftsbauunternehmer, eine Landschaftsarchitektin und natürlich der Auftraggeber.
Nach festgelegten Bewertungskriterien wurden die 19 Entwurfspläne in einer 6-stündigen Sitzung durch mehrere Rundgänge bewertet.
Bewertungskriterien waren in diesem Fall:
1.Eingehen auf die Planungswünsche des Auftraggebers
2.Gestalterische Funktionalität
– situationsgerechte, harmonische Flächenaufteilung
– Raumaufteilung bzw. Bildung von Gartenräumen
– Attraktivität des Gartens
– gestalterische Einheit des Gartens
– situationsgerechte Verwendung von Gestaltungselementen
3.Technische Funktionalität
– maßstabsgerechtes Planen und Beachten von Größenverhältnissen
– funktionelle Wege und Platzverbindungen
– Beachten der Höhensituation
4. Einordnung und Nennung von Pflanzen und Pflanzenthemen
5.Präsentation der Gestaltungsidee
-zeichnerische Aufbereitung der Pläne
– sinnvolle Auswahl und gute Darstellung der Details.
Nach dem 3. Bewertungsrundgang blieben 6 Arbeiten in der engeren Wahl. Als Sieger ging eine Planung hervor, die bei einer ersten, oberflächigen Betrachtung eher unspektakulär wirkte. Herr Maik Günzel hatte aber eine Lösung erarbeitet, die durch eine geschickte Anordnung von Trockenmauern und Treppenanlagen die Nutzung des Grundstückes wesentlich optimierte. Unter den ersten 6 Wettbewerbsgewinnern wurden Geldpreise ausgelobt, die von einer Summe, die der Bauherr zur Verfügung stellte, abgezweigt wurden. Der größte Teil des Geldes war ein Zuschuss für die 2. Jahresexkursion der gesamten Klasse und kam so allen zu Gute.
Der Spruch der Jury:
„Der Plan zeichnete sich durch Ideenreichtum und durch eine klare Strukturierung des Geländes aus. Besonders bemerkenswert ist das gute Maßstabsdenken. Die Untergliederung in einzelne terrassenförmige Ebenen teilt die große Fläche sinnvoll und bildet verschiedene Gartenräume. Ergänzendes, raumbildendes Grün würde für die Gartenräume noch unterstützend sein. Wichtige Blickbeziehungen finden Berücksichtigung und sind geschickt im Gesamtkonzept aufgenommen. Die Anordnung und Gestaltung der Sitz- und Spielbereiche ist sehr gut gelungen und die Anbindung an die angrenzenden Bereiche erscheint passend. Einzelne Detaillösungen ermöglichen eine erlebnisreiche Gartennutzung durch die Gäste des Ferienhofes. Auch für die Wirtschaftsgebäude sind ansprechende Lösungen angedacht. Positiv ist die Verwendung einheimischer und bereits vorhandener Materialien. Gegebenenfalls ist die Auswahl einiger Pflanzen und die Größe des befahrbaren Bereiches im Hof zu überdenken. Bei der Umsetzung der Ideen im Plan wurde sauber und sorgfältig gearbeitet. Besonders die Detaildarstellung unterstützt die Vorstellungskraft des Betrachters“.
Der jährliche Wettbewerb in Pillnitz nimmt im pädagogischen Prozess einen wichtigen Platz ein. Er soll mehr Leistung provozieren und vielleicht etwas Besonderes hervorbringen.
Es gilt die Erfahrung: wer beim Wettbewerb mit macht, hat schon gewonnen. Der Erkenntniszuwachs ist enorm. Für die Teilnehmer stellen sich die Fragen:
Bin ich in der Lage Ideen zu finden und diese in eine Gestaltung umzusetzen, die den Kunden begeistert?
Wie lange brauche ich bis mein Entwurf farbig vor mir liegt?
Wie geht es schneller – Mit CAD oder Tusche?
Wie gehe ich mit diesen relativen Arbeitsdruck um, insbesondere in der Schlussphase des Wettbewerbes?
Wie geht die Gruppe insgesamt mit dem Konkurrenzdruck um? Vereint oder trennt es den Jahrgang?
Jeder weiß, dass ein Projekt später umgesetzt wird oder es werden verschiedene Ankäufe in eine Planung eingefügt. Dadurch entsteht für die Teilnehmer ein Praxisbezug, der die Frage der Baubarkeit zum entscheidenden Bewertungskriterium werden lässt. Wissenslücken werden offenbar durch Selbststudium geschlossen.
Nachdem der Sekt der Siegerehrung ausgetrunken war und „der Staub des Wettbewerbes“ sich gelegt hatte, folgte nochmal ein fachlich sehr anspruchvoller Teil, der aber betreut wurde.
Ausführungsplanung und Bepflanzungsplanung
Jeder hatte für seine eigene Idee eine Ausführungsplanung zu erstellen. Diese beinhaltet eine intensive Auseinandersetzung mit der bautechnischen Detaillierung, mit der Höhen- und Entwässerungsplanung und der Bepflanzung. Zwei lohnende Objekte wie Treppen, Holzbauten oder Wasseranlagen mussten im Maßstab 1:10 mit z. B. Schnitten oder Draufsichten oder mit Verlegeplänen genau detailliert werden. „Keine Schraube vergessen!“.
Zunehmend wird gerade dieser Teil ausschließlich mit CAD ausgeführt.
Umfangreiche Bepflanzungspläne wurden für wesentliche Teilbereiche der Außenanlage angefertigt und Pflanzen nach Standortanspruch, Geselligkeit, Habitus und Erscheinungsbild sorgfältig ausgewählt.
Leistungsverzeichnis und Massenermittlung
Ein umfangreiches detailliertes Leistungsverzeichnis mit einer Baustellen- und Baubeschreibung war anschließend von jedem Teilnehmer bezogen auf seine Planvorgabe zu erstellen. Daneben sind auch exakte, nachvollziehbare Massennachweise für die Leistungseinheiten der Positionen zu erstellen. Hierzu mussten Massenpläne und Massenlisten mit Rechenwegen entsprechend einer Abrechnung angefertigt werden.
Kriterium ist immer die Nachvollziehbarkeit durch einen Dritten, die bei Abrechnungen nach VOB/B auch gefordert wird.
Ermittlung von Firmengrunddaten und Ermittlung der Angebotspreise
Jeder angehende Techniker erhielt von einem fiktiven GaLaBau-Betrieb grundlegende Angaben aus dessen Bilanz, aus der Gewinn- und Verlustrechnung und aus dem Maschineninventar sowie eine Reihe von Planannahmen für eine Plankostenrechnung, die als Basis für die Kalkulation auszuwerten und zusammenzustellen sind.
Zu einer vorgegebenen Anzahl (ca. 30 Positionen) an unterschiedlichen Leistungspositionen wurde jeweils ein Angebotspreis nachvollziehbar und begründet nach der Kalkulationsmethode – Umlagekalkulation – ermittelt. Ein besonderes Augenmerk liegt immer auf der Herleitung von Zeitwerten pro Leistungseinheit, die ausgiebig erläutert werden müssen. Der Rest der Preise wird als Kostenschätzung ermittelt.
Anhand der ausführlichen Kalkulation wurden positionsbezogene Gesamtzeiten für Arbeitskräfte und Maschinen für das Bauvorhaben erfasst und eine Aufstellung der benötigten Materialmengen bzw. Bestellmengen angefertigt.
Nach 7 Monaten war dieser Arbeits- und Lernprozess neben dem normalen Lehrbetrieb vollendet. Einmal war man die „Tippel – Tappel – Tour“ durch die Bauplanung, Kalkulation und Abrechnung gegangen.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch bei einer Bewerbung.
Das Leistungsverzeichnis bzw. Angebot und die Kalkulation gehören später zum Tagesgeschäft. Liegen dann auf dem eigenen Schreibtisch Ausführungspläne und Details, ist für Führungskräfte im Baubetrieb eine Beurteilungsfähigkeit dieser Fremdleistungen wichtig.
In der planenden Landschaftsbaufirma wird die Leistung „schnell mal einen Entwurf zu zeichnen“ gefordert.
Nach einiger Zeit „auf der Baustelle“ oder im Betrieb werden einige Techniker auch zu wertvollen Bauleitern für Ingenieurbüros. Der sichere Umgang mit Leistungsverzeichnissen, Kostenermittlungen, Detaillierungen und ein komplexes Werk übergreifendes Denken mit einem guten Gespür für Menschen, auch in Drucksituation im Bauprozess, sind hier die Kernanforderungen im Baualltag.
Der projektbezogene, seminarartige Unterricht „Draußen und Drinnen“ in Pillnitz sichert, neben der wichtigen Wissensvermittlung im Hörsaal, das handlungsorientierte Lernen und fördert besonders Schlüsselqualitäten der zukünftigen Führungskräfte und die Arbeitsmarktchancen der Absolventen.
Diese durch Projekte geprägte Wissensaneignung wird in Pillnitz seit ca. 12 Jahren, auch in anderen Formen praktiziert und zwar bei den Abschlussarbeiten der Meister und Techniker, sowie in einer Vielzahl von kleineren Einheiten im Unterricht.
In „stürmischen Zeiten“ ist fundiertes vertragsrechtliches und bautechnisches Wissen, sowie ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein, das selbständig immer aktualisiert wird, eine der besten Prävention vor Fehlentscheidungen.
Diese Bildungsmöglichkeiten werden in Sachsen von staatlicher Seite gefördert. Sie stellen wichtige Säulen der Förderung zur Gründung, Entwicklung und zur Sicherung mittelständischer Betriebe dar und sind somit eine nachhaltige Form der Wirtschaftsförderung.
Knut Strothmann
LfULG, Abt. Gartenbau, Ref.83 (2005)